1. Über den Zeitungsartikel „Bewerbung: Mütter punkten nicht mit Kinder-Erfahrung“ bin ich auf Sie aufmerksam geworden. Sie wissen, dass die Erziehung von Kindern ein echter Managerjob ist, trotzdem raten Sie eher davon ab, dies in Bewerbungsgesprächen als Qualifikation ins Rennen zu führen. Warum?
Es ist nicht so, dass Personaler die Leistungen, die eine Frau beim Vereinbaren von Beruf und Familie vollbringt, nicht schätzen würden. Aber in einer Bewerbung kommt es darauf an, exakt die Anforderungen zu erfüllen, die mit einer Stelle verbunden sind, und dabei so nahe an den Anforderungen entlang zu argumentieren wie möglich. Eine Projektleiterin, die ihr Organisationstalent an einem konkreten Fall aus dem Projektmanagement darstellt, punktet eher als eine Frau, die erklärt, wie gut sie ihre Familie, speziell die Kinder in den letzten Jahren organisiert hat.
2. Selbst, wenn ich als Bewerberin das „Familienmanagement“ gar nicht in den Vordergrund rücke, kann es passieren, dass mir im Bewerbungsgespräch typische Frauenfragen („Wie wollen Sie denn diesen Vollzeitjob mit ihrer Familie vereinbaren?“) gestellt werden. Wie geht man am besten damit um?
Nicht verunsichern lassen. Grundsätzlich gibt es keine Probleme. Alles ist organisiert, die Familie packt mit an, damit es rund läuft. Auf keinen Fall sollte man gereizt reagieren oder solche Sachen sagen wie: „Würden Sie diese Frage eigentlich auch einem Mann stellen?“. Natürlich kann man das machen, aber man sammelt damit nicht gerade Sympathiepunkte.
3. Nicht selten fragen sich gerade Frauen in der Elternzeit: „Soll ich später in meinen alten Beruf einsteigen oder neue Wege gehen?“ Sollte man von solchen Überlegungen lieber die Finger lassen oder ist es gar nicht so verkehrt, sich gerade in der Elternzeit solche Fragen zu stellen?
Ich bin eine Gegnerin der Politik, die Frau von der Leyen in den letzten Jahren propagierte. Sobald das Kind entbunden ist, sollen sich die Frauen ins Businesskostüm werfen. Die Geburt eines Kindes bedeutet aber für viele Frauen eine Zäsur. Sie fragen sich, was wichtig ist im Leben und wo ihre Prioritäten in den nächsten Jahren liegen sollen. Und da sage ich: Nehmt euch die Zeit; und denkt über eure weitere berufliche Entwicklung nach. Viele Frauen entdecken während der Elternzeit neue Berufsfelder für sich und bilden sich gezielt weiter. Nach der Elternzeit sind sie dann gut gerüstet für den Wieder- oder Neueinstieg.
4. Sie raten besonders Wiedereinsteigerinnen für die Rückkehr in den Beruf Selbstmarketing zu betreiben. Warum fällt es offenbar Müttern schwer, für sich selbst die Werbetrommel zu rühren und was kann man dagegen tun?
Frauen neigen zu der Annahme: „Nur wenn ich perfekt bin, kann ich mich am Arbeitsmarkt anbieten.“ Aber man kann alles lernen und fachliche Lücken schließen. Die Frauen, die sich einfach einen Ruck gegeben haben und „unperfekt“ ins Arbeitsleben trauten, sind übrigens oft überrascht, wie schnell sie wieder im Job Fuß gefasst haben. Die Botschaft heißt also: Mehr Mut als Angst haben!
5. Wo wird gerade bei Ratschlägen sind: Welche klassischen Karrieretipps für Frauen und speziell für Mütter sind Ihnen schon untergekommen, über die Sie nur herzlich lachen konnten?
Wenn Frauen geraten wird, sich wie Männer zu verhalten. Es gibt heute Seminare, die Frauen härter machen sollen, in denen sie lernen, auf Statussymbole Wert zu legen und eine gewisse Arroganz auszustrahlen. Erstens glaube ich nicht, dass Männer, die so führen, gute Chefs und Vorbilder sind: Zweitens denke ich, dass Frauen ihre eigenen Stärken und Instrumente haben, um beruflich voranzukommen. Seminare, die auf diese Stärken setzen und sie ausbauen, wären sinnvoller.
Zu guter Letzt:
Wo kann man Sie im Netz überall finden, wenn man mehr von Ihnen lesen möchte und gibt es etwas, das Sie unbedingt noch loswerden möchten?
Man gibt einfach „Claudia Nöllke“ im Internet ein, da erscheint dann meine Websites zurueck-in-den-beruf.de und die-bewerbungsberaterin.de, meine Bücher sowie Artikel in Online-Zeitungen.
Was ich den Frauen mitgeben möchte? Lasst euch nicht von den Medien, der Politik oder anderen Frauen diktieren, wie ihr Beruf und Familie lebt und organisiert. Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Nur Wege, die individuell passen.
Danke, liebe Claudia für Ihre ausführlichen Antworten und Tipps.
Ich finde die Antwort auf die letzte Frage sehr spannend. Der Versuch, mancher Frauen, männlicher zu werden, bedeutet für mich auch einen echten Rückschritt bei der Entwicklung eines modernen Arbeitslebens.
Ich glaube, dass dieser Führungsstil weder für Männer, noch für Frauen, noch zeitgemäß ist.
Bei der zweiten Frage bin ich zwiegespalten – auf der einen Seite gebe ich Claudia Nölke natürlich recht – es bringt nichts, auf eine solche Frage bissig zu reagieren und katapultiert einen wahrscheinlich auch ins Aus. Auf der anderen Seite frage ich mich immer, ob ich bei einem Arbeitgeber arbeiten WILL, der mir so eine Frage im Vorstellungsgespräch stellt. Kann ich in so einem Unternehmem tatsächlich damit rechnen, dass ein gewisser Wert auf Work-Life-Balance gelegt wird? Wird sojemand als Chef Verständnis haben, wenn ich alles stehen und liegen lasse, weil mein Kind in der Kita von der Schaukel gefallen ist oder wenn ich am Geburtstag meines anderen Kindes für kein Geld der Welt auf eine Dienstreise fahren will?
Auf der anderen Seite haben wir leider derzeit wohl keinen Arbeitsmarkt, der es zulässt, dass wir uns die Arbeitgeber nach solchen Kriterien aussuchen können. Vielleicht wird die Zeit kommen, wer weiß.