Ein Newsletter, der sich zum Thema berufstätige Mütter und Väter lohnt, ist der der Zeitschrift LOB, für die ich an dieser Stelle ein großes Lob ausspreche. Okay, und wegen des schlechten Wortwitzes ein wenig Reue zeige. Heute flatterte die jüngste Ausgabe des LOB Newsletters in meinen Posteingang und mein Blick blieb an der Überschrift „Vier Werte, die helfen Kinder und Job zu vereinbaren“ hängen. Zum einen mag das sicher daran liegen, dass Überschriften wie „10 Karrieretipps für berufstätige Mütter…“ oder „Fünf Dinge, für die Ihr Chef Sie lieben wird…“ in der Regel recht gut funktionieren, die Blicke des flüchtigen Betrachters auf sich zu ziehen. Zum anderen war ich natürlich gespannt, welche vier Werte mir als berufstätiger Mutter helfen, Job und Arbeit zu vereinbaren. Und hallo! Nur vier klang wirklich wirklich praktikabel.
Einen Klick weiter und beim Artikel in ganzer Länge gelandet, entschließe ich mich doch, erst einmal zu gucken, ob es nicht mehr Informationen über den Verfasser Sascha Schmidt gibt. Er ist ganzheitlicher Coach, Karriereberater und Autor und Vater von zwei Kindern. Gleich zu Anfang geht es um eine Erkenntnis, die für viele berufstätige Mütter und Väter so neu nicht sein dürfte:
„Wer sich entschließt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, der muss das wirklich wollen.“
Gleichwohl räumt Schmidt ein, dass sich nicht jeder dieses „Wollen“ auch leisten kann. Viele Alleinerziehende haben keine Wahl und müssen, obwohl sie eventuell gar nicht wollen. Das sei dann ein persönliches Dilemma. Für „echtes Wollen“ und „wollen müssen“ gälte, dass die Vereinbarkeit gelingen kann, wenn die Mutter oder der Vater bewusst die Verantwortung übernimmt. Konkret drückt Schmidt aus Elternsicht das so aus:
„Ich will sowohl Zeit mit meinem Kind verbringen und gleichzeitig beruflich tätig sein.“
oder
„Ich will arbeiten gehen, um den Lebensunterhalt sichern zu können, da ich bisher keine Alternative gefunden habe.“
Letzteres klingt für mich allerdings sehr nach „müssen “ und ganz und gar nicht nach „wollen“. Aber zurück zu dem, was die Überschrift „Vier Werte, die helfen Kinder und Job zu vereinbaren“ versprach. Hier kommt der dänische Familienexperte Jesper Juul ins Spiel und soll arbeitenden Müttern und Vätern helfen, ihre eigene Orientierung zu finden. Als „Werte“ sind Gedanken gemeint, die das tägliches Handeln bestimmen und aufgrund derer wir uns entscheiden, berufstätige Eltern zu sein oder eben nicht.
- Gleichwürdigkeit
- Eigen-Verantwortung
- Integrität – ich sein
- Authentizität – echt sein
Für die Details zu den einzelnen Punkten verweise ich direkt auf den Beitrag und will gleich zu der Passage kommen, die mich länger nachdenken ließ. Es geht unter dem Punkt „Eigen-Verantwortung“ darum, dass wir die Verantwortung für unser Tun tragen. Das, so schreibt Schmidt, lasse sich nicht delegieren, auch wenn es verlockend sei, auf externe Umstände zu verweisen. Konkret:
„Kinder brauchen keine Opfer-Eltern sondern Eltern der Tat.“
Was Übernahme der Eigen-Verantwortung heißt, erklärt der Autor an dem Beispiel, seinen Kindern zu sagen: „Ich will meine Karriere nicht opfern, denn sie ist mir wichtig. Daher gehst Du in den Ganztageskindergarten.“ Das sei ein Klartext, den jedes Kind verstehe und er findet es erstaunlich, wie viele Menschen sich vor dem Klartext drücken.
Ich habe zu meinen Kindern bisher nie etwas von „Karriere opfern“ gesagt, weil selbst mein Vorschulkind zum Beispiel noch nicht weiß, was eine „Karriere“ ist und sich unter „opfern“ sicher etwas vorstellt, dass in Richtung Menschenfresser geht. Den Begriff „Ganztageskindergarten“ brauche ich nicht in den Mund zu nehmen, da lange Öffnungszeiten in kommunalen und freien Kindergärten hier in Berlin fast schon selbstverständlich sind. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Autor den Begriff bewusst gewählt hat, um deutlich zu machen, das das Kind nicht in eine Einrichtung geht, aus der man sein Kind mittags wieder abholen muss.
Aber ich stimme insofern überein, dass es hier und da schon verlockend ist, auf externe Umstände zu verweisen. Aber dass meine Kinder mich dann als Opfer-Mama sehen, die sich den Umständen stillschweigend hingibt und vor sich hin leidet…? Ich weiß nicht recht. Ich gehe tatsächlich gerne arbeiten und ich gehe deshalb 30 Stunden in der Woche arbeiten, weil ich mich gut dabei fühle, mehr als nur einen Taschengeldbetrag zum Familieneinkommen beizutragen. Zugegeben fahre auch ich nicht jeden Tag mit der selben Motivation ins Büro und wenn mein Nachwuchs morgens zu lange trödelt, dann lasse ich schon mal den einen oder anderen Satz fallen, dass es nicht an mir läge, aber ich müsse jetzt wirklich schnell zur Arbeit. „Die Mama muss arbeiten.“ Ja, es ist manchmal verlockend, auf diese und jene Umstände zu verweisen.
Aber kommen wir mal zu den berufstätigen Müttern und Vätern zurück, die Karriere und Familie nicht unter einen Hut bringen wollen, ja, denen es noch nicht einmal um Karriere, sondern einfach nur ums Arbeiten für ein Einkommen geht. Die haben jetzt also auch noch das schlechte Los gezogen, vor ihren Kindern als Opfer-Eltern dazustehen? Dabei sind das gerade für mich Eltern der Tat. Sie tun etwas und legen nicht die Hände in den Schoß, auch wenn es die sogenannten „externen Umstände“ einer berufstätigen Mutter auch leicht machen könnten, zu sagen, dass sie sich für ein paar Euro mehr in der Haushaltskasse doch nicht so krumm machen braucht. Vom schlechten den Gewissen der fremdbetreuten Kinder gegenüber ganz zu schweigen. Man könnte es ja auch bequemer haben im sozialen Netz…
Aber wahrscheinlich mache ich mir gerade wieder viel zu viele Gedanken und werde ein Opfer meiner Hirnwindungen. Deswegen Schluss an dieser Stelle und Platz für eure Kommentare. Wie seht ihr das mit den „Opfer-Eltern“ und den „Eltern der Tat“?
Liebe Sophie,
ich habe mit großem Interesse Ihre Gedanken zu meinem Text bei LOB gelesen. Und ich stimme Ihnen voll zu: Gerade die Eltern, die arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt zu verdienen, sind sehr häufig tatkräftige Mütter und Väter! Nicht nur in ihrem Tun, sondern auch in Ihrer Lebenseinstellung. Und genau um diese geht es mir – „ertrage“ ich tatkräftig und mit Würde meine Situation als zum Beispiel alleinerziehende berufstätige Mutter oder „lammentiere“ ich über das Leben. Kinder lernen von uns Eltern als Vorbilder – nicht durch das, was wir sagen, sondern durch das, was wir wie tun.
Es grüßt herzlichst
Sascha Schmidt
Das Wörtchen „müssen“ kommt mir ein bisschen zu oft vor … Oder sagen wir so – mithilfe des obligaten Wortes: Ich selbst habe mich noch nie bemüßigt gefühlt, den Besuch von Ganztagskindergarten bzw. Hort gegenüber meinen Kindern rechtfertigen zu müssen. Übrigens auch nicht gegenüber mir selbst. Das ist bei uns so, da steh ich dahinter. Und Punkt.
Und wenn ich nix opfere – weder die Karriere noch die zum Sündenbock degradierten „Umstände“ – dann geht es auch meinen Kindern blendend.