Kinder, Karriere und eine Schwäche für Latte Macchiato.

Bitte keine Vorzeigepapas! Keine Rabenmütter. Und keine Musterfamilien.

Sigmar Gabriel ist also ein Vorzeigepapa, doch leider der falsche, wie die ZEIT Online gestern feststellte. Mit nur einem Nachmittag in der Woche, in dem das Töchterchen von der Kita abgeholt wird, taugt der Vizekanzler nicht zum Vorzeigepapa. Einmal die Woche sei er dran, weil seine Frau ja auch berufstätig sei, sagte Gabriel der BILD-Zeitung. Ich war auf der Suche nach dem BILD Interview vom Samstag, weil ich wissen wollte, ob Sigmar Gabriel seinen Mittwochnachmittag tatsächlich selbst so an die große Glocke gehängt hat oder es mal wieder die „bösen Medien“ waren.
Ich habe aber leider nichts finden können. Dafür allerdings jede Menge Geschrei um Siggi und den Mittwoch – immer mit dem Schlagwort Vorzeigepapa im Schlepptau.

Regt sich niemand über den Vorzeigepapa auf?

Nein, ich meine damit nicht, ob man sich nun über Gabriel und seine Vaterrolle oder seine Vorbildfunktion aufregen darf oder nicht. Mir ist aufgefallen, dass der Begriff „Vorzeigepapa“ an sich nicht wirklich in Frage gestellt wird. Wenn Sigmar Gabriel der falsche Vorzeigepapa ist, was bitte ist dann ein richtiger Vorzeigepapa?

Das Vorzeigebeispiel an sich, ist schon ein komischer deutscher Begriff an sich, denn hätte es das Beispiel nicht auch getan? Wohl nicht, denn wir brauchen neben Beispielen auch Vorzeigebeispiele, Musterbeispiele und Paradebeispiele. Und weil wir noch nicht genügend Väter haben, oder das Vatersein allein in Deutschland nichts mehr her macht, brauchen wir Vorzeigepapas.

Der Vorzeigepapa wird vorgeführt

Das Bild vom twitternden Familienvater Gabriel wurde aus den tiefen des Archivs hervorgekramt macht nun die Runde durch die Social Media Kanäle.

Sigmar Gabriel auf Twitter (Archivbild): "Mariechen ist abgefüttert. Der Kaffee ist da, also kann's losgehen"(Quelle: Twitter)
Sigmar Gabriel auf Twitter (Archivbild): „Mariechen ist abgefüttert. Der Kaffee ist da, also kann’s losgehen“(Quelle: Twitter)

Dank abgefüttertem Kind (und Kaffee!!!) kann Papa endlich arbeiten. Ich frage mich ernsthaft, was das soll? Nun bekamen wir also alle noch einmal visuell vorgeführt, was ein Vorzeigepapa NICHT ist. Der Mehrwert dieser Information ist für mich fraglich, genauso wie die Ergebnisse, die uns in den letzten Jahren zum Stichwort „Vorzeigepapa“ im Internet präsentiert wurden.

 

Vielleicht wird dem einen oder anderen ja bei diesen Bildern ganz warm ums Herz. Bei mir im Kopf reiht sich zu den ganzen Vorzeigepapas allerdings auch ganz schnell die „gute Mutter“ und zusammen mit den „braven Kindern“ bilden sie dann die moderne „Musterfamilie“. Ist die Familie nicht ganz so mustergültig, liegt das ganz gewiss an der „Rabenmutter“. Ich wäre sehr froh, wenn solche Begriffe aus unserem Wortschatz und erst recht aus den Schlagzeilen verschwinden würden.

Wenn wir aber weiter meinen, irgendwelchen Vätern gleich den Status „Vorzeigepapa“ geben zu müssen und damit ein bestimmtes Klischee (welches auch immer) als das einzig wahre Lebensmodell zu feiern, dann hat der Vorzeigepapa eher die Auszeichnung als Unwort des Jahres verdient.

Inhaberin von NetWorkingMom.de. Als bekennende Latte-Macchiato-Mama trägt sie nicht nur interessante Netzfundstücke zusammen, sondern plaudert in der Kaffeeküche recht scharfzüngig über die Merkwürdigkeiten, die einem als berufstätige Mutter so begegnen. Mehr Lifestyle und Kinderkram gibt's im Zweitblog www.BerlinFreckles.de

5 Comments

  1. Interessante Sichtweise, kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Väter werden auch bloß als Vorzeigepapas bezeichnet, weil sie beim Spielen gesichtet wurden… ob der Herr Beckham wirklich kocht sei mal dahingestellt (scheint mir auch irgendwie unglaubwürdig). Und was die jeweiligen Mütter alles dazu beitragen, interessiert wenig – so ist es doch auch im realen Leben. Gehe ich mit meiner Tochter einkaufen, interessiert die Leute höchstens, daß ich schnell meine Sachen einpacke und nicht den Verkehr aufhalte. Ist der Papa mit ihr unterwegs, kloppen sich reihenweise die Ladys, um dem „armen Mann“ mit seiner „Last“ zu helfen. „Sowas hat mein Mann früher nicht gemacht“ und ähnliches kriegt er da zu hören. Schön für ihn – aber ist er damit schon ein Vorzeigepapa? :) Und das gilt auch für Herrn Gabriel, schön daß er eine Debatte anstößt aber er macht doch auch bloß das, was alle anderen Väter tun (sollten) und hat durchaus noch mehr Spielraum nach oben.

    Liebe Grüße, Janina

  2. Die Superlativen stören mich auch. Aber so sind die „bösen Medien“ nur damit lässt sich verkaufen.
    Und das Herr Gabriel mit einem Nachmittag die Woche schon eine positive Erwähnung bekommt ist mir ehrlich gesagt auch zu wieder. Leben wir wirklich in einer Gesellschaft, in der es positiv zu erwähnen ist, dass sich der Vater einen Nachmittag die Woche um sein Kind kümmert? Sind die anderen Väter, die jeden Abend nach Hause kommen und sich ab da voll um das Kind Kümmern eine Ausnahme? Haben wir Männer es immer noch nicht kapiert das Eltern mehr als nur die Mama ist? Allerdings scheint Frau Gabriel mit der Lösung kein (großes) Problem zu haben… Sonst gäbe es sicher eine andere Lösung.

  3. Genau richtig geschrieben. Musterfamilien und Vorzeigepapas kann ws nur geben,wenn es DAS eine Idealbild davon gibt wie Eltern heute zu sein haben und in solche Klischees wollen wir uns nicht drängen lassen!

  4. […] Momentan häufen sich in den Medien und Blogs die Themen “Vorzeigepapas” und allgemeine Diskussionen über Väter und deren Rolle im Familiensystem. Angeheizt wird das ganze durch die neue Regierung beziehungsweise die Pläne der neuen Familienministerin Schwesig über kürzere Arbeitszeiten für Eltern. Im Tagesspiegel erklärte sie: “Meine Vision ist die Familienarbeitszeit. Vollzeit sollten für Eltern mit kleinen Kindern nicht 40, sondern zum Beispiel 32 Stunden sein.” Ein Vorzeigepapa ist in diesem Zuge auch schon gefunden worden; SPD – Chef Sigmar Gabriel kümmere sich ab sofort jeden Mittwoch Nachmittag um seine Tochter. Abgesehen davon, daß das nicht zum früheren Konzept der SPD mit dem Ruf nach Ganztagsschulen und -kitas passe, instrumentalisiere er seine Tochter für Eigenwerbung. Einen guten Beitrag hat auch die networkingmom geschrieben, den ich euch nicht vorenthalten möchte: Bitte keine Vorzeigepapas! Keine Rabenmütter. Und keine Musterfamilien. […]

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