Einmal Minijob, immer Minijob. Unsere Familienministerin Schröder geißelt Minijobs als frauenfeindlich und bei mir bleibt nach dem Lesen des Artikels und des Auszugs aus ihrem bald erscheinenden neuen Buch ein ganz anderer Klebeeffekt zurück als der, von dem Schröder spricht. Aber halt, erst einmal in Ruhe meinen Kaffee trinken und schön von Anfang an. Der Artikel, aus der WELT bezieht sich auf einen Abdruck in der „Christ & Welt“. Das Gespräch unter dem Titel „Wenn Mama mehr verdient“ zwischen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Altersforscherin Ursula Lehr, von 1988 bis 1991 ebenfalls Bundesfamilienministerin, ist ein Vorabdruck aus dem Buch „Mama zahlt“, das am 14.Januar im Herder Verlag erscheint.
Ich würde ja, wenn ich denn neben dem Ministerinnendasein und dem Muttersein auch die Zeit für ein Erst- und Zweitbuch hätte, auch kräftig Promotion dafür machen. Oder machen lassen. Outsourcing liegt schließlich im Trend. Das kann ich ihr nicht verübeln. Knackige Überschriften und ein paar reißerische Zitate in die Runde gestreut, ja, das macht schon eine Menge aus. Aber mich stört, dass einer Familienministerin nichts weiter einfällt, als die Minijobs direkt in einem Atemzug mit Frauen zu nennen. Nach Ansicht von Kristina Schröder hindern die geringfügigen Beschäftigungen Mütter am beruflichen Aufstieg. Doch wenn ich mich recht entsinne, waren die Minijobs nie für den beruflichen Aufstieg gedacht und sie hindern alle, nicht nur Mütter. Oder ist der Umkehrschluss erlaubt und allen anderen darf man das zumuten?
In den sechziger Jahren wurde die abgabenfreie geringfügige Beschäftigung angesichts akuten Arbeitskräftemangels attraktiver gestaltet, um Hausfrauen, Rentner, Studierende sowie Nebentätige auch stundenweise zur Erwerbsarbeit zu mobilisieren. Und heute wundern wir uns, warum rund zwei Drittel der Minijobber Frauen sind? Dem sicherlich ebenfalls verfolgten Ziel, verheirateten Frauen die Aufnahme einer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung zu erleichtern, kam man jedoch auch nach der Reform Ende der 90er nicht näher. Zu den Wirkungen der Minijobs gibt es bereits eine Vielzahl von Untersuchungen, von denen ich zugegeben keine ausführlich studiert habe. Ein zentrales Ergebnis ist, sagt die Bundeszentrale für Politische Bildung, dass sich Minijobs für Arbeitslose nicht als Brücke in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erweisen. Ein Minijob ist ein Minijob. Ein kleiner Zuverdienst, ein Taschengeld und sicher keine Brücke, über die Mütter von der Zeit zu Hause mit Kindern direkt in den Karriereweg einbiegen.
Aber zurück zum Klebeeffekt. Schröder sagte dazu:
„Unter diesem Aspekt sehe auch ich die Minijobs sehr kritisch. Die meisten Frauen wollen nach der Babypause in Teilzeit arbeiten. Und sie landen dann in einem Minijob. Und dieser ist in den seltensten Fallen das, was er eigentlich auch sein könnte: eine Brücke in den Arbeitsmarkt. Stattdessen sehen wir Klebeeffekte: einmal Minijob – immer Minijob.“
Vielleicht lese ich das falsch, aber unsere emanzipierte, moderne Familienministerin scheint tatsächlich davon auszugehen, dass eine Frau, bevor sie ein Kind bekommt, noch nicht mit dem Arbeitsmarkt in Berührung gekommen ist. Ich stelle mir gerade bildlich vor, wie die junge Mutter, deren berufliche Qualifikation schließlich nicht mit der Nachgeburt von ihr gegangen ist auf einer einsamen Insel steht, das plärrende Kind in der Hand und weit weg am Horizont den Arbeitsmarkt hört. In Erzählungen hat sie schon davon gehört, dass es einen geheimnisvollen Weg dahin zurück gibt, in diese ihr ferne Welt der „richtig“ arbeitenden Menschen. Doch dann erzählt ihr jemand von der Brücke namens Minijob…
Der Klebeeffekt liegt meiner Meinung nach darin, dass in der öffentlichen Darstellung nach wie vor an der Kombination Minijob und Frau festgehalten wird, obwohl wir doch so modern sein und alte Rollenmodelle überwinden wollen. Braucht jemand dafür ein Beispiel? Dann bitte mal auf das offizielle Serviceportal der Minijob-Zentrale gehen und sich wundern, wieso das erste Foto, das dort zu sehen ist, eine putzende Frau ist. Schröder sagt, die Minijobs widersprächen einer gesellschaftspolitischen Grundbotschaft. Ich mache mir schon Sorgen vom Verständnis der Familienministerin von der gesellschaftspolitischen Grundbotschaft. Darauf, passend zum Foto, gleich noch einen Cappuccino, aber am besten einen koffeinfreien, damit ich mich nicht noch mehr aufrege…
Die gesellschaftspolitische Grundbotschaft, die Frau Schröder meint, lautet „Jede Frau müsste ihre Familie auch allein ernähren können“. Wie kann man so etwas propagieren und zugleich die Frauenquote ablehnen, die dazu führen würde, dass Frauen annähernd gleiche Chancen auf Karriere und Gehalt hätten wie Männer? In der Realität hat eine alleinerziehende Mutter in Deutschland heute das größte Potential unter die Armutsgrenze zu fallen und das verdanken wir nicht zuletzt auch Frau Schröder.
Ohne je mit dem Arbeitsmarkt in Berührung gekommen zu sein habe ich mit 20 mein erstes Kind bekommen. 4 Jahre Alleinerziehende und voll Arbeitend bin ich immer erfolgreicher geworden. Ja! Eine Mutter bekommt mehr Steine in den Weg als andere. Ja es ist schwer mit einem Kleinkind wenn es oft krank wurde! Jedoch! Mein Weg wurde gefestigt durch meinen starken Willen! Ziele und Wünsche! Jeder kann erreichen was er will wenn er nur motiviert ist!
…und Steine in den Weg gelegt zu bekommen heißt ja nicht, dass man nicht drumherum gehen oder sogar darüber hüpfen kann. Sehe ich genau so. Hast du denn nach dem ersten Kind gedacht: „Ich mach erst mal so einen kleinen Minijob, der ist meine Brücke in den Arbeitsmarkt.“?
hm, jedem ist das nicht gegeben. wille allein ist es nicht.
Ich frage mich, wie es dazu kommt, dass Frau Schröder noch Zeit hat Bücher zu schreiben. Mal ganz abgesehen von der Qualität des Inhalts entsteht bei mir der Eindruck in der Familienpolitik sei die große Langeweile ausgebrochen. Falls die Gutste also mal wieder nach Arbeit in ihrem eigentlichen Job sucht hätte ich da ein paar Vorschläge zu machen: http://nirakblog.wordpress.com/2012/12/18/phasen-im-lebenslauf-familienpolitik-muss-sich-andern/
[…] Schröder hat mal wieder was nicht verstanden. Diesmal gehts um Minijobs. Und Mütter natürlich. NetWorkingMom klärt […]
Da sagt Schröder mal ausnahmsweise was Richtiges und wird jetzt auch dafür kritisiert.
Der Kommentar greift zu kurz, vielleicht gerade, weil die Studienlage zu Minijobs keinen Eingang findet. Fakt ist, dass besonders in Frauenbranchen die Minijobreformen seit 2003 zu einer großen Ausweitung führten, die zu Lasten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gingen. Besonders betroffen: Einzelhandel, Gesundheitswesen, Gastronomie. Selbst wenn Frauen in diesen Branchen mehr arbeiten möchten – die Stellen sind nicht (mehr) da. Diese Ausweitung von Minijobs und damit prekärer, schlecht bezahlter Beschäftigung waren Teil der Agenda 2010. Und richtig, mittlerweile sind davon zu 40 Prozent auch Männer betroffen.
Viele MinijobberInnen sind AufstockerInnen – die Altersarmut ist vorprogrammiert. Und häufig werden ihnen Arbeitnehmerrechte vorenthalten. Die Studie, die Schröders Ministerium dazu kürzlich veröffentlicht hat, ist sehr lesenswert:
http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=193520.html
Ich bin wirklich noch nie ein Fan von Schröder gewesen. Aber damit hat sie mal etwas Sinnvolles getan.
Aber sie hat ja gar nichts getan. Wäre ihr das Thema nicht nur eine Schlagzeile wert, sollte sie ihr Amt nutzen, Veränderungen voranzubringen. Das macht sie aber nicht.