Ich halte meinen Kaffee jetzt wirklich sehr gut fest, lehne mich extrem weit aus dem Fenster und wage es, den auf Brigitte.de veröffentlichten Artikel „Zwischen Konferenzen und Kotzerei | Berufstätige Mütter: Eine Woche Wahnsinn“ zu zerpflücken. Ja, ich weiß, das macht man eigentlich nicht. Aber ich kann nicht unkommentiert lassen, was ich dort las. Meine (unqualifizierte) Meinung muss hier mal raus, auch wenn sie vielleicht nicht jedermann teilt – am wenigsten wahrscheinlich Ulrike Thomassen, die Verfasserin des Berichtes. Aber dazu habe ich die Kaffeeküche hier im Blog nun mal eingerichtet.
Zum Artikel der Woche voller Wahnsinn: Er wurde untertitelt, es handele sich um gar nichts Besonderes, nur das Übliche, einen kleinen Mitschnitt aus dem Leben einer alleinerziehenden berufstätigen Mutter. Schon der beschriebene Montag verursachte bei mir zeilenweise Kopfschütteln, der es mir kaum möglich machte, meinen Kaffee mal eben nebenbei zu schlürfen.
„Halb acht, und Luis liegt immer noch im Bett. Dort wird er auch bleiben für den Rest des Tages, ihm ist schlecht, vermutlich Magen-Darm. Ich lege Klamotten für Mia raus, treibe sie an, bringe sie in den Kindergarten und rase mit dem Fahrrad in die Redaktion, um mir Arbeit für zu Hause zu holen.“
Ein krankes Kind ist übel, dem Kind ist übel und für den Start in eine neue Woche kann man sich kaum etwas unpassenderes vorstellen. Aber: In Zeiten der elektronischen Datenübermittlung kann man den Telefonhörer in die Hand nehmen, der Chefin die Situation beschreiben und sich die Arbeit, die wirklich niemand anders als man selbst erledigen kann, nach Hause schicken lassen.
„Ich will meinen kranken Elfjährigen nicht den ganzen Tag allein lassen. Auch meine Gedanken rasen: Letzte Woche dreimal vorzeitig den Arbeitsplatz verlassen. Einmal Arzttermin, ein halber Tag Urlaub wegen Mias Hort-Eingewöhnung, ein Fotoshooting für eine Reportage in meiner Wohnung. War zwar für den Job, aber weg ist weg. Und jetzt schon wieder.“
Richtig so. Kein krankes Kind möchte gern den ganzen Tag allein gelassen werden. Und falls in der Redaktion bekannt ist, dass Ulrike alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern ist, sollte wohl nichts verwerfliches daran sein, seinen Arbeitsplatz vorzeitig zu verlassen. Ich wiederhole mich an dieser Stelle und verweise darauf, dass das Bearbeiten und Verfassen von Texten auch außerhalb der vier Wände eines Redaktionsbüros möglich sein sollte.
Und wie war das mit der Abwesenheit vom Arbeitsplatz? Wenn es ein Foto-Shooting für den Job war, warum dann bitte das schlechte Gewissen? Wenn ich einen Termin außer Haus habe und ein „Oh, dann bist du dann gar nicht da!“ höre, dann entgegne ich gern, dass ich arbeite und auch telefonisch oder per E-Mail zu erreichen bin. Der einzige Unterschied ist, dass ich an diesem Tag nicht auf meinem Stuhl sitze und niemand spontan durch die Bürotür kommen und mich ansprechen kann.
„In der Redaktion stürzt mein Computer mehrmals ab, als ich versuche, die Manuskripte auszudrucken, die ich zu Hause bearbeiten will. Währenddessen hat Luis mir schon zweimal auf die Mailbox gesprochen, „bitte, Mama, du musst kommen“, höre ich ihn weinen. Meine Chefin steht in der Tür und sagt: „Du musst heute die Stellung halten, ich habe einen wichtigen Termin und bin erst um zwei wieder hier.“ Ich kann nicht. Ich fahre nach Hause.“
Oha, das war dann wohl ein Eigentor für die Brigitte-Redaktion und ein Tritt gegen das Schienbein der Chefin! Kein weiterer Kommentar von mir, denn dieser Abschnitt steht für sich.
„Ich tröste meinen Sohn, koche Tee, bringe ihm Zwieback. Später hole ich Mia vom Kindergarten ab und kaufe die Zutaten für Salate und Spieße für zwölf Personen. Packe eine Schultüte. Bügele eine weiße Bluse und eine blaue Hose. Putze Mias Schuhe. Dann hole ich meine Mutter vom Bahnhof ab. Morgen ist Einschulung.“
Beim Kauf von Zutaten für Salate und Spießen für zwölf Personen war es endgültig aus mit meinem Verständnis. Ich habe für mein Abitur Mathematik nur als Grundkurs gewählt und war in Wahrscheinlichkeitsrechnung nie gut, aber folgende Sachaufgabe hätte ich definitiv lösen können: Wenn zwölf Personen eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern besuchen werden und alle gemeinsam Essen wollen, wie wahrscheinlich ist es dann, dass es für die Gastgeberin am entspanntesten ist, wenn sie bereits bei der Einladung die Gäste bittet, die Geschenke zur Einschulung nicht ganz so üppig ausfallen zu lassen und dafür lieber einen kulinarischen Beitrag zu einem bunten Buffet zu leisten? Selbst wenn nur die Hälfte der Gäste dieser Aufforderung nachkommen würde, wäre es entspannter geworden, als allein das Essen für zwölf Personen zuzubereiten – krankes Kind hin oder her.
Über das Bügeln kann man trefflich streiten. Manche sagen, es beruhige die Nerven. Andere wählen einfach bügelfreie Sachen aus dem Schrank. Und Schuhe zu putzen ist auch für (fast schon) Schulkinder eine Aufgabe, die man ihnen durchaus zutrauen kann.
Ich las mich anschließend noch tapfer durch die restliche Berichterstattung von Ulrikes Woche und schwankte immer zwischen Mitleid und dem Drang, ihr die Hände auf die Schultern zu legen und ihr zu raten, tief durchzuatmen und mal den Überflüssigen Schnickschnack beiseite zu lassen.
Aber vielleicht ist das auch leicht gesagt, wenn man wie ich mit zwei Kindern nur wochenweise mal Strohwitwe ist? Gerät man als alleinerziehende berufstätige Mutter viel zu leicht in eine Situation der Überforderung, in der es einem gar nicht mehr möglich ist, die überflüssigen Aufgaben von den wirklich wichtigen zu trennen?
Und was macht man mit Chefinnen, die erfahren, dass der Elfjährige krank zu Hause liegt und dann verlangen: „Du musst heute die Stellung halten, ich habe einen wichtigen Termin und bin erst um zwei wieder hier.“? Noch mehr Kopfschütteln, noch mehr Kaffee. Ich bin gespannt auf eure Kommentare.
hallo, auch ich kann nicht über das leben als berufstätige alleinerziehende mutter urteilen, vermutlich kann das niemand, weil jedes leben, jedes stress-level usw. individuell ist. ich finde es aber absolut falsch, die leistungen von alleinerziehenden durch derlei „stress-berichte“ beschreiben zu wollen (weil man sich eben denkt: ähm … muss das bügeln tatsächlich sein? 12 personen bekochen? in dieser situation? …) – und dann auch noch als normalsituationen zu schildern. allerdings ist der druck, der auf frauen lastet, eben alles unter einen hut zu bekommen, nicht unerwähnenswert. im gegenteil, er ist vermutlich ein kernpunkt der problematik. na sicher, ich z.B. lege keinen wert auf das perfekte hausfrauen-dasein (mich trifft das perfekte-mutter-karriere-ideal dafür woanders), aber vielleicht die ich-erzählerin? sie will vielleicht zeigen, dass sie alles unter einen hut bekommt, damit dann im nachhinein eben nicht alle sagen: sie ist halt überfordert, es braucht halt einen mann blablabla. aber in dem beschriebenen fall liest sich das ganze wie eine vorabend-sitcom und ich sehe geradezu die überforderte, sich die haare raufende frau. und am ende bleibt das mitleid mit ihr und ihrem leben. sinnvoller wäre es vielleicht nur einmal in solchen „reportagen“ die persönliche ebene zu verlassen, über den tellerrand zu schauen und auf strukturelle und arbeitspolitische problematiken hinzuweisen. aber das wird dann eben nicht so unterhaltsam. liebe grüße!
ich gebe dir vollkommen Recht. Ich bin verheiratet mit einem Partner der sich alle Erziehungsaufgaben ca 50% mit mir teilt (teilweise auch 60-40 ^^) UND habe ein Au Pair.
Ich würde trotzdem nie auf die Idee kommen für 12 Leute alleine zu kochen oder ins Büro zu radeln um mir Sachen vom Computer auszudrucken, die mir eine Kollegin auch schicken kann …
Frau kann sich das Leben aber auch schwer machen! Und die Autorin des Brigitte Artikels hat sich echt Mühe gegeben.
Hallo,
ich arbeite nur 80% und habe sonst mit Männe die 40(er)-60(ich) Aufteilung und mit ein bisschen „Anpassung“ der Lebenssituation kann man sich das ganze viel einfacher machen: Kinder haben keine Nachmittagsaktionen, da Waldkindergarten alles anbietet, Sauberfee kümmert sich um die Böden+Bäder, Fenster werden 2x Jahr geeputzt, Kinder helfen mit im Haushalt und erwerben so Kernkompetenzen. Und auch beim Job kann man selbstbewußt bestimmte Dinge vorgeben, wie sie besser für Mama/Papa laufen und trotzdem der Chef seine Arbeit gemacht bekommt. Neue Denkschemen sind nötig! Diese gute Dame würde ich gern mal einer „Abspeck-kur“ für Büro und Haushalt unterziehen, denn so ist absoluter Wahnsinn und nicht im Sinne der „Familiären Balance“, so viel ist sicher…
I am a happy working mom ;)
Katrin
Der Artikel scheint mir eine recht einfach gestrickte Mischung sein zu wollen aus Dokumentation und Glosse. Frau soll sich irgendwie wiederfinden und still beim Lesen mitnicken („ja genau, wir habens echt schwer“), und ein paar Lacher müssen eben auch sein, damit es sich gut liest. Insofern unterstelle ich hier einfach mal ganz dreist eine leichte, gewollte Übersteigerung der Situation. Ich gebe allerdings zu, dass ich eine ungeduldige Leserin bin und deshalb den Großteil des Textes nur noch überflogen habe. Meine Meinung ist also nur eine grobe Schätzung und vielleicht tue ich der Autorin Unrecht.
Hey, ich gebe Dir Recht. In allen Punkten. Mich nervt dieses ständige Überreißen tierisch, es geht ja in beide Richtungen. Entweder alles perfekt und ach ja, es ist anstrengend mit Kindern, aber wie perfekt und wundervoll doch alles ist. Oder eben obige Darstellung. Das hilft doch wirklich niemandem!
Ich bin sehr froh Deinen Blog gefunden zu haben. Ich suche nämlich verzweifelt nach „authentischen“ Blogs, die das Leben abbilden und zwar auf eine ehrliche Art und Weise. Ich habe mich auf eine Mission begeben, die Mama Koala Challenge, in der ich ein Jahr lang meine 3 Kinder nicht (laut) anmeckern oder anschreien will (denn, ja, das habe ich getan…!). Vielleicht hast Du Lust und schaust mal vorbei.
LG und danke für Deinen Blog, den werde ich mir merken!
Mama Koala
Es scheint kaum etwas schlimmeres zu geben, als alleinerziehende Mütter mit Job, die das alles auch ganz dufte finden. Das Beschweren haben wir anscheinend abonniert. Wenn es dann jemanden gibt, der sagt „Also ich liebe mein Kind, meinen Beruf und mein Leben.“ dann kann mit der etwas nicht in Ordnung sein. Ich arbeite Vollzeit von zuhause für eine Firma in Kanada. Der Zeitunterschied spielt mir optimal in die Karten: Morgen kann ich mir Zeit lassen, abends, wenn der Kleene schläft, kann ich mich mit den Kollegen per Skype unterhalten. Klar ist das eine große Ausnahme, aber manchmal würde ich mir wünschen, dass man Alleinerziehend mit Job auch als was super duper mega tolles sehen kann. Meckern tun wir doch alles eh genug. Wer ein bisschen Augenzwinkern mag, der kann ja mal hier vorbeisehen: http://patchworkmylifeaway.wordpress.com/
Liebe Grüße aus Berlin
Marie
Hallo zusammen,
ich habe den Artikel ebenfalls gelesen und z.T. mit dem Kopf geschüttelt und zum Teil aber auch Verständnis.
Zur bösen Chefin muss ich ehrlich sagen – solche unqualifizierten Führungspersonen gibt es leider zu oft. Wehren kann man sich nur schwer, selbst die jährlichen Pseudofeedback-Gespräche sind sicher nicht zur Kritik gedacht (Wehe man äußert eine ehrliche Meinung – Klartext verboten!). Ich habe Chefs erlebt, die Sonntag Nacht um 1:30 Email senden mit Aufgaben und diese sollen bis Montagmorgen um 9.30 bearbeitet sein. Ich habe Chefs erlebt, die ihre Mitarbeiterinnen anfassen und wenn die beim BR gemeldet werden – wird er trotzdem geduldet. Ein Chef hat sogar beide Unfähigkeiten vereint und zusätzlich 8 Leute innerhalb von einem Jahr ausgebrannt (z.T. mussten sie in die Klinik) – und wurde zum Chef des Jahres im Großkonzern ernannt (hier bleibt nur noch zu lachen, weinen kostet zu viel Kraft). Ich kann mir vorstellen, dass so ein Chef/Chefin weder die nötige Empathie noch das nötige Geschick empfinden um eine Alleinerziehende verständnisvoll zur Höchstleistung zu bringen, ohne sie in die Klapse zu bringen.
Hier wird übrigend das Hauptproblem der Mutter deutlich – sie kann schwer Prioritäten setzen. Für sie selbst wäre es sicher besser, einen anderen Job zu suchen oder sich beruflich anders zu strukturieren. Wenn das nicht geht, dann gibt es andere Lösungen. Aber soooooo eine Chefin tut sich kein normaler Mensch länger als nötig an und schon gar nicht wenn man sein Seelenheil für die Kinder priorisiert.
Mal ehrlich – Schuhe putzen… musst ich auch kichern… das können kleine Kinder selbst, bzw. WER hat ernsthaft ein Problem, wenn ein Kind bisserl dreckige Schuhe hat? Meist sind die doch innerhalb von 5 Minuten, nachdem sie das Haus verlassen haben, wieder total dreckig. So sind Kinder eben… oder besser, zum Glück :D Dann hat Mama auch mal ne Ausrede. Bevor sie nen psychischen Zusammenbruch erleidet – lass sie halt schmutzig! Who cares? Priorität ist dann doch schon eher bei 10 Minuten Pause und einen Kaffee trinken und sich mal um sich kurz kümmern.
Wenn ich 12 Leute eingeladen habe, dann würde ich auch ohne echtes Mama-Dasein (ich bin Stiefmutter von 2, also Teilzeit-Mum), meine Freunde um Unterstützung bitten – oder Pizza bestellen. Priorität hat das kranke Kind und da zückt man doch einfach mal den Plan B. Echte Freunde verstehen das und würden selbst die Prioritäten nicht anders setzen.
Woher kommt das Problem? Hier habe ich sehr viel Verständnis. Ich denke als Alleinerziehende ist sie genug Vorurteilen ausgesetzt (vielleicht noch 2 Kinder von 2 verschiedenen Vätern? Dann ist der Schlampen-Stempel der „zu doof zu verhüten“-Tusse eh auf der Stirn) – aber das kann man als Vorteil nutzen. Ist der Ruf erst ruiniert …
Jedensfalls wird es Zeit, dass sie erkennt, sie kann es nicht allen auf der Welt Recht machen. Selbst als Übermutter mit Karriere würden die bösen Zungen noch genug zu lästern haben – daher in den Spiegel gucken, eigene Werte definieren, entlang der Werte Prioritäten setzen – und glücklich leben! Bleibt Achtsam und habt viel Humor!
Ich wünsche euch allen jeden Abend einen glücklichen Blick in den Spiegel
:D
Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Schön finde ich deinen Abschlusssatz: „Ich wünsche euch allen jeden Abend einen glücklichen Blick in den Spiegel.“
Danke das du dich so weit über den Bürostuhl gelehnt hast…. ich bin auch berufstätig habe aber einen Partmer an meiner Seite der mir häufig unter die Arme greift. Unsere Hausarbeit lastet nicht gerecht auf beiden Schultern, dafür gibt es ander Dinge die ich ihm gnadenlos überlasse. Ich mache keine Karriere … in der Automobilindustrie im Engineering ist frau mit Kind gebrandmarkt. Aber damti habe ich mich abgefunden, denn ich kann obwohl ich meinen Job gern mag, an der Stelle (fast) ohne schlechtes Gewissen sagen und jetzt gehend die Kinder vor! Auch wenn mein Chef böse schaut wenn ich da dritte mal in dieser Woche früh gehe! Mein Problem ist mein Engagement. Viele Eltern bringen ihre Kinder ind ie Kita / Schule und weg sind sie. Das ehrenamtliche Engagement ist tendenziell nciht vorhanden. Und bevor niemand es macht, hänge ich mich gerne rein und laufe gegen viele Wände. Anstatt zu Bügeln gehe ich hin und arbeite in einigen Arbeitskreisen mit oder bin die Vorsitzende des Fördervereins der Kita. Hier werden viele sagen… sie muss mal prioritäten setzen. Aber wenn ich es nicht mache, findet sich ein anderer Dummer? Nein Meistens nicht. Dann wäre unser Förderverein dicht. Die klamme Kommune (Nothaushalt) würde nur das nötigste finanzieren und dann hätte meine Tochter kein Papier in der Kita zum malen… will ich das? NEIN. Ich bin da ziemlich eigennützig, wenn es die Institution betrifft die meine Kinder besuchen bin ich aktiv! Aber da beisst sich auch die Katze in den pöppes…oder der Hund oder wer auch immer. Ich hab zu wenig Zeit und hetze von einem Termin zum nächsten.
Ich sehe mit in der Brigitte Mutter wieder, sehe aber auch wo es bei ihr hängt… ich bin nciht supermom und nicht die Power Karriere Frau. Ich bin irgendwas dazwischen und versuche den Alltag zu händeln… ich denke ich muss mal wieder ein wenig mehr auf die Mutter, Kind Job Geschichte in meinem Blog zurück kommen…
lg
Michaela