Manchmal mag ich es pauschal. Wirklich. Wenn ich Urlaub buche, zum Beispiel. Wenn ich jedoch unter der wehenden Fahne des Qualitätsjournalismus in der Frankfurter Rundschau folgenden Satz lese, traue ich meinen Augen kaum.
„Das Netz ist voll von Bloggerinnen um die 30, die das Lebensmodell der Hausfrau propagieren“
Das behauptete Redakteurin Anne Lemhöfer in ihrem Artikel in ihrem Artikel. Geht’s noch? Da war wohl jemand selbst urlaubsreif und hätte lieber mal eine Pauschalreise fürs Wochenende gebucht, als diese schlecht recherchierten Zeilen in der Wochenendausgabe der Zeitung zu veröffentlichen.
Dem, der sich mit Elternblogs und speziell Mütterblogs auseinander gesetzt hat, fällt natürlich sofort auf, dass es sich einfach nur um wirklich mangelhafte Recherche handelt. Mit einer Hand voll Blognamen wird ein Pauschalurteil über Mamablogs an sich gefällt.
Was heißt genau „voll von Bloggerinnen“? Angesichts der Tatsache, dass es bis jetzt noch nicht einmal gesicherte Erhebungen gibt, wie viele Blogs es in Deutschland überhaupt gibt, finde ich solch eine Behauptung mehr als mutig. Unnötig zu sagen, dass selbst bei der Frage, was ein Blog ist, die Fachmeinungen weit auseinander gehen.
Bei einer geschätzten Zahl zwischen 200.000 Blogs in Deutschland (Quelle), mehreren Hunderttausend Blogs in Deutschland (Quelle) und absoluter Ahnungslosigkeit, was die Anzahl der Blogs in Deutschland betrifft, fühlte sich die Autorin also von einer Schwemme an Mamabloggerinnen um die 30 bedroht, weil sie angeblich das Hausfrauenmodell propagieren?
Das ist ein bisschen so, als wenn ich aus dem voll gefüllten Zeitungsladen am Hauptbahnhof mit lediglich einer Hand voll Autozeitschriften herauskomme und mich hinterher beschwere, dass da so wenig über Natur, Rezepte oder Wirtschaftspolitik drinsteht.
Es gibt noch nicht für alle Gesinnungen, Hobbys und Nischen ein gedrucktes Magazin, sehr wohl aber mindestens einen Blog dazu. Vielleicht ist es auch ein Stück weit unsere Aufgabe als Mamabloggerinnen, unsere Reichweite dafür zu nutzen, um Diversität in der vermeintlich homogenen Masse der bloggenden Mütter zu zeigen?
Sonst werden wir wohl alle Jahre wieder erleben, dass für die Recherche zu einem Artikel über Blogger die Klischeeschublade aufgezogen wird. Über bastelnde Hausmütter zum Beispiel. Oder arbeitende Rabenmütter. Oder oberflächliche Lifestylemütter. Oder immer wieder gern die Cafés belagernden Latte Macchiato Mütter.
An dieser Stelle behaupte ich mal pauschal, dass man immer erst einmal das findet, was man sucht. Jedes Vorurteil findet im Internet Bestätigung. Für jede noch so kleine selbst erdachte Klischeeschublade findet sich eine Webseite, die perfekt hinein passt. Wer das weiß möblierte und selbstverständlich krümelfreie Zimmer sucht, in dem friedlich zwei Kinder mit naturbelassenen Bauklötzen spielen, wird es finden.
Aber zurück zum Vergleich mit dem Zeitungsladen. Alle ungezählten Blogs in ihrer Themenvielfalt sind lediglich ein Angebot. Es obliegt mir als Leserin, das Angebot anzunehmen oder sie zu ignorieren. Sehen mir die Inhalte auf Instagram und Co. zu sehr nach der heilen Welt von Bullerbü aus, sollte ich wohl überdenken, wem ich da folge.
Wer also der weiß getünchten Familienidylle überdrüssig ist, wechsele doch einfach das Regal im Zeitungsladen. Oder lese nur mal gründlicher und zuweilen auch zwischen den Zeilen. Das vermeintlich niedliche Vor-sich-hin-Bloggen erzählt viel darüber, wie es um Familien in unserer Gesellschaft bestellt ist.
Das Politische ist nicht immer das Reißerische. Es sind auch die kleinen Zeichen, die leisen Geschichten und die Tatsache an sich, dass Elternblogs Themen aufgreifen, die sie für wichtig erachten. Und vielleicht braucht es gerade die Blogartikel, in denen Mütter davon erzählen, wie sie erst durch die eigenen Kinder Erziehungsmethoden in Frage stellten, über die lange Zeit gesellschaftlicher Konsens herrschte.
Als ich geboren wurde, waren sich alle um meine Mutter herum sicher, dass ein Baby höchstens alle vier Stunden Hunger haben könne. Gelobt wurden jene Eltern, deren Baby möglichst früh alleine einschlafen und möglichst viele Stunden Schlaf am Stück vorweisen konnte.
Umso mehr freue ich mich über alle Artikel, die mir und anderen auch einmal eine andere Perspektive auf eine vermeintlich „politisch korrekte“ Sache aufzeigen. In einer Zeit, in der es mitunter schon eine Provokation ist, als Mutter allenfalls „ganz okay“ sein zu wollen.