Kinder, Karriere und eine Schwäche für Latte Macchiato.

"Wie viel Beruf geht wirklich mit Kind?" BILD Zeitung vom 23.04.2013

Was heißt hier eigentlich „normaler Beruf“?

Hier ist meine Kaffeeküche, hier darf ich mich mal so richtig aufregen und auslassen. Vor lauter heftigem Rühren mit dem Kaffeelöffel ist der Milchschaum nun fast weg und der Boden des Latte Macchiato Glases wahrscheinlich gleich durch. Es geht um die Berufswahl und das, was man heute noch als „normalen Beruf“ bezeichnet – was „Vernünftiges“ eben und nicht so einen neumodischen Kram, für den es vor 50 Jahren noch nicht mal eine Bezeichnung gab. Anstoß meines kleinen Aufregers hier ist ein Zeitungsartikel oder vielmehr sind es einige Kommentare dazu. Im Artikel geht es um vier Frauen und ihre persönlichen Ansichten zu Kindern und Karriere.

Natürlich war mir klar, dass man, wenn man in der BILD Zeitung landet, mit allem Möglichen rechnen muss, auch mit Kommentaren, die mich nun als „PR Tante“ bezeichnen, die sich „etwas dazuverdient“. Ein anderer Kommentar unterstellte allen vier Frauen, sie hätten keine normalen Berufe, also auch der Hausfrau und der Grundschullehrerin.

"Wie viel Beruf geht wirklich mit Kind?" BILD Zeitung vom 23.04.2013
„Wie viel Beruf geht wirklich mit Kind?“ BILD Zeitung vom 23.04.2013

 

Ich kann meinen derzeitigen Job eigentlich auf zweierlei Arten beschreiben. Sage ich, dass ich bei einem gemeinnützigen Träger für Kindergärten, Horte und Familienberatungen die Öffentlichkeitsarbeit mache, ernte ich in der Regel dafür ein langes „Oooooh!“, das soviel heißt wie „Für einen aufregenden Job in einer angesagten Agentur hat’s wohl nicht gereicht?“. Erzähle ich, dass ich PR-Referentin mit dem Schwerpunkt Online-Kommunikation bin und von unserem Büro aus direkt auf den Berliner Fernsehturm blicke, bekomme ich ein „Aaaaah!“. Ich würde das als ziemlich normalen Job bezeichnen.

Aber nein, mein Beruf fällt in die IWMM-Schublade* und geht deshalb nicht als normaler Beruf durch. Noch dazu lebe ich in Berlin und blogge ja noch nebenbei. Ich bin nicht der Durchschnitt, das sehe ich ein. Wäre ich der Durchschnitt, so hätte ich in meinem jugendlichen Alter als angestrebten Ausbildungsberuf Bürokauffrau, Verkäuferin oder Medizinische Fachangestellte angegeben, weiß DIE WELT in einem Artikel zum diesjährigen Girl’s Day zu berichten. Aber ich habe Abi gemacht, studiert, abgebrochen, gearbeitet, nochmal studiert und kann bis heute nicht den Unterschied zwischen einer medizinischen Fachangestellten, und einer Arzthelferin erklären. Außerdem ist mein Beruf auch nicht besonders sexy. Wäre es danach gegangen, welche Berufe Männer bei Frauen sexy finden, hätte ich nämlich Ärztin, Journalistin, Krankenschwester (ich hab’s geahnt!) oder Anwältin werden müssen.
Hätte ich angestrebt, im Jahr 2013 einen der zehn bestbezahlten Berufe auszuüben, hätte ich unter anderem Ärztin (ich wäre sexy und reich!), Chemikerin, Investmentbankerin oder IT-Experin werden müssen.

Aber sind diese Berufe denn normal? Und hat man sich, wenn man in einem Job mit flexiblen Arbeitszeiten tätig ist, sich das nicht auch oft genug hart erarbeitet? In meinem vorherigen Job war ich die erste aus meinem Arbeitsfeld, die Home Office, (oder wie es offiziell hieß: „Telearbeit“) beantragt hatte, was nicht so einfach war, denn es stand von Hause aus nicht in der Betriebsvereinbarung. Ist nur der 9-to-5-Bürojob ein normaler Job? Sind nur die klassischen anerkannten Ausbildungsberufe normale Berufe? Dann könnte es schon schwierig werden, denn es gibt nur 345 anerkannte Ausbildungsberufe in Deutschland. Das sind nur noch halb so viele Berufe wie noch vor rund 40 Jahren.  Ist es überhaupt noch normal zu arbeiten, um sich dann den Stempel der Rabenmutter aufdrücken zu lassen?  Man kann ja schließlich auch „Hartzen“ als Karriereziel wählen, wie ich neulich einem Gespräch unter Jugendlichen beim Warten auf die U-Bahn entnahm.

Kurzum, wie ich es auch drehe und wende, nichts ist mehr normal. Deswegen jetzt Schluss damit. Der Rest vom Latte Macchiato ist sowieso schon kalt geworden. Ich sollte mir jetzt Kaffeenachschub holen. Einen ganz normalen „Kaffee schwarz“ diesmal? Nein, ich bleibe beim Lifestylegetränk mit extra viel Milchschaum.

*IWWM = IrgendwasmitMedien

Inhaberin von NetWorkingMom.de. Als bekennende Latte-Macchiato-Mama trägt sie nicht nur interessante Netzfundstücke zusammen, sondern plaudert in der Kaffeeküche recht scharfzüngig über die Merkwürdigkeiten, die einem als berufstätige Mutter so begegnen. Mehr Lifestyle und Kinderkram gibt's im Zweitblog www.BerlinFreckles.de

6 Comments

  1. Ach, was ist schon normal? Ich find deinen Job ehrlich gesagt ziemlich normal, allerdings musste ich etwas schlucken bei der Aussage, dass man sich flexible Arbeitszeiten ja auch hart verdient hätte… Äh ja, besagte Ärztin kann noch so hart arbeiten, aber flexibler werden ihre Arbeitszeiten davon nicht. Und homeoffice mit operieren von zu Hause geht auch nicht, ist also schon ein klarer Vorteil für dich! Und was sexy oder reich angeht: ich bin Ärztin, meine Freunde die PR machen verdienen sicher nicht schlechter als ich und sexy… Na ja. So sexy wie Darm-OPs und Intensivstationen eben sind ;) Was ich damit sagen will? Ich bewundere jede arbeitende Mutter sehr, aber flexible Arbeitszeiten und home office sind tatsächlich ein unschlagbarer Vorteil, der in vielen Jobs leider nicht möglich ist! Und das denke ich, ist mit normal gemeint ;)
    Ich bin gespannt, was hier noch so an Kommentaren kommt, ein wirklich spannender Post!
    xo Zoe

  2. „Hartzen“ als Karriereziel …. lach …. was man an der U-Bahn Station so alles mit kriegt ….

    nicht ärgern …so ist die Bild halt schon mal …war da auch schon ein paar Mal drin (die haben aber ganz nett geschrieben, hatte Glück :-))

    Normal kann sehr langweilig sein …. auf Anweisung meines Vaters habe ich nämlich ne Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht ….wenn man mich fragt was ich heute beruflich mache muss ich ne ganz lange Liste aufzählen … man könnte auch sagen „Lebenskünstlerin“ :-)

  3. Ist Biochemikerin auch sexy? Auch mit Augenringen und fleckigem Kittel? Wenn ja – ein Glück. Ich komm mir nämlich nie sexy, dafür öfter idiotisch vor in dem Job…
    Aber ein guter Post. Ach und die Kommentare zu diesem Artikel… Tja, klassischer Fall von ‚Es kann nicht sein, was nicht sein darf‘. Da gibt’s ja verschiedene Ausprägungen. Aber eine Frau, die ihre Sache (egal ob Kinder, Haushalt, Beruf) mit Liebe und gut macht? Vielleicht sogar alles besser hinbekommt, als ein Mann mit ’normalem Beruf‘ und Klischeeleben? DAS KANN GAR NICHT SEIN! Dass wir Frauen das aber auch nicht verstehen wollen….

  4. 2. Selbst, wenn ich als Bewerberin das “Familienmanagement” gar nicht in den Vordergrund rücke, kann es passieren, dass mir im Bewerbungsgespräch typische Frauenfragen (“Wie wollen Sie denn diesen Vollzeitjob mit ihrer Familie vereinbaren?”) gestellt werden. Wie geht man am besten damit um?

    • Haha, da kann ich Dir ein Lied von singen ;-) Als ich noch als PR-Beraterin gearbeitet habe,habe ich das meiner Oma irgendwann als „ich mache was mit Presse und so “ verkauft. Bis ich herausgefunden habe, dass sie der kompletten Nachbarschaft erzählt hat ich wäre bei Fernsehen. Wenn ich heute sage „Online Marketing Managerin“ nicken alle ganz wissend. Managerin ist schon mal gut, weil theoretisch wichtig. Und Marketing….tja, da reichen die Meinungen von „Flyer drucken“ über „Anzeigen machen“ bis hin zu „Fernsehwerbung“. Wenn ich das Ganze dann auflöse (ich bin für Blog, Facebook, Twitter,Xing und youtube zuständig), gibts gerne eine kleine Gesichtsentgleisung und dann wird das Thema gewechselt. Es lebe das Schubladendenken! Leider passen wir IWWM-Leute selten in eine. :-)

  5. Tsah, also bitte – da kann einem ja echt der Kaffeelöffel durch die Gegend fliegen … Wie sagte Oscar Wilde? „Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert.“ – Es kommt also nur drauf an, wie wir es sehen: Meint „nicht normal“ unbeständig oder ist „nicht normal“ das „Außergewöhnliche“? Sieh es lieber als das Außergewöhnliche, denn das gibst du dir, deinen Lesern und Kunden damit, dass du tust, was du tust. Frei nach dem Motto: „Ich bin nicht anders als die anderen, ich bin anders als die gleichen“ ;-)

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